Personalaufwand zu hoch, Nutzen zu gering?

Noch immer ist die Zahl der Verkehrsunfälle in Deutschland zu hoch. Schuld daran sind vermehrt skrupellose Raser mit ihren dicken PS-Schleudern. Auf deutschen Straßen wird aufgefahren und gedrängelt was das Zeug hält. Manchmal hat man die Vermutung, es gehe bei jeder verlorenen Minute auf der Autobahn um Leben und Tod. Fahrer mit teuren Autos haben wohl auch oft in der Fahrschule nicht aufgepasst und halten sich deshalb nur selten an Geschwindigkeitsbegrenzungen. Um den Rasern und Dränglern Einhalt zu gebieten, veranstaltet die Bundesregierung zusammen mit den einzelnen Bundesländern in regelmäßigen Abständen sogenannte Blitzmarathons. Aber nicht nur in Deutschland ist der Blitzmarathon ein bewährtes Mittel zur Abschreckung. Insgesamt 20 europäische Länder beteiligen sich bereits an der Aktion. Die Prävention und die Sicherheit soll hierbei im Vordergrund stehen. Doch in letzter Zeit wird die Kritik an dieser Strategie immer lauter. Am 21. und 22. April 2016 fand eine solche Generalkontrolle wiedermal in Deutschland statt. Aber dieses Mal in einer sehr abgespeckten Variante. Sechs Bundesländer hatten bei diesem Blitzmarathon demonstrativ ihre Teilnahme abgesagt.

Nutzen der Aktion bei vielen Bundesländern umstritten

Unter den nichtteilnehmenden Bundesländern befanden sich Mecklenburg-Vorpommern, der Freistaat Sachsen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Bremen. Das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern rechtfertigte ihr Nicht-Beteiligung mit der hohen Personalbelastung der Polizei. Ein ähnliches Motiv hatte auch der Freistaat Sachsen, der den Organisationsaufwand in keinem Verhältnis zu einem echten Nutzen sah. Der Nutzen eines Blitzmarathons ist auch nach Aussage des Niedersächsischen Innenministers Boris Pistorius (SPD) sehr umstritten. Die regelmäßig stattfindenden Blitzaktionen hätten bisher keine Erfolge bei der Reduzierung von Verkersunfällen, Toten und Verunglückten erzielt. Für die FDP handle es sich bei diesen Kontrollen um medienwirksamen Aktionismus, der eine Steigerung der Verkehrssicherheit nur vortäuscht. Auch wird die Aktion wegen den entstehenden Geldeinnahmen in Millionenhöhe scharf kritisiert.

Auch andere Bundesländer kritisieren den Blitzmarathon

Doch nicht nur aus Reihen der nichtteilnehmenden Bundesländer kommt Kritik, sogar beteiligte Länder kritisieren die Aktion. Nach Aussage von mehreren SPD-Ministern aus NRW ist der nachhaltige Effekt und der Personal- und Planungsaufwand sehr zweifelhaft. Nach Auffassung des CDU-Innenexperten Werner Lohn, hätte die Polizei in Hinblick auf Terrorgefahr, Großveranstaltungen und hohen Einbruchszahlen viel Besseres zu tun.

Alkohol am Steuer ist viel gefährlicher

Viele Verkehrsanwälte sind der Meinung, dass die Polizei mit vermehrten Großkontrollen ihre Zeit verschwenden würde. Die Beamten sollten lieber verstärkt auf Jagd nach Alkoholsünder gehen, als sich mit vermeintlichen Temposündern auseinanderzusetzen. Nach Meinung von Jörg Elsner, Vorsitzendem der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV), ist die Hauptursache für Verkehrsunfälle nicht die Tempoüberschreitung, sondern viel mehr der unkontrollierte Alkoholgenuss.

Weniger Kontrollen und Personal abseits der Blitzmarathons

Für einige Kritiker die Vernachlässigung der sonstigen Kontrollen, eine Folge der regelmäßig stattfinden Blitzaktionen. Neben den Blitzmarathons ist der Kontrolldruck nämlich deutlich gesunken. Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen gab es im Jahr 2014 4,4 Millionen Verkehrskontrollen. Ein Jahr später waren es 200.000 weniger. Die Kontrollen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen gingen innerorts um 30 Prozent zurück. Dieser Trend weitet sich auch in die anderen Bundesländer und in Deutschland aus. So wären die Verkehrskontrollen und auch das eingesetzte Personal rückläufig. Ein Grund dafür wäre der Personalmangel bei der Polizei. So werden zur Zeit viele Stellen umgeschichtet und zur Terrorbekämpfung eingesetzt. Deshalb fehlen diese Beamten dann bei den Verkehrsdirektionen.

Raser-Trend in Bayern

Nach Bilanz des im April stattgefunden Blitzmarathons in Bayern, waren die Ergebnisse wiedereinmal erschreckend. Von vielen Polizeidienststellen wurden Raser gemeldet, die deutlich die vorgeschriebene Tempogrenze überschritten hatten. Insgesamt konnte die bayerische Polizei bei 320.000 Kontrollen knapp 9.200 Verkehrsrowdys überführen. Für Innenminister Hermann ist dies ein Zeichen dafür, dass in den nächsten Monaten die Verkehrskontrollen weiterhin sehr regelmäßig durchgeführt werden müssen. So kündigte er bereits für Juli 2016 die nächsten Blitzaktionen an. Im Jahr 2015 mussten wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen 177 Menschen auf Bayerns Straßen sterben.

Befürworter verteidigen den Blitzmarathon

Ralf Jäger, Innenminister von Nordrhein-Westfalen verteidigt die Blitzaktion. Menschen die den Blitzmarathon als PR-Gag oder Abzocke bezeichnen, hätten sich noch nie mit den schwerwiegenden Folgen schwerer Verkehrsunfälle auseinandergesetzt. Auch aus den Reihen der Verkehrspsychologen kommt großer Rückenwind für die Blitzaktionen. Gerade ein hoher Kontrolldruck wäre nach Aussage von Katrin Müller, von der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie, entscheidend für eine hohe Verkehrssicherheit. Der direkte Kontakt mit der Polizei wirke viel stärker nach, als eine nach Wochen zugeschicktes Schreiben. Ob man nun gegen oder für den Marathon ist. Jedenfalls konnten durch die Aktion wieder ein paar Raser mehr gefasst werden.